Türchen 8

Sadhi Sonja Vornberger

Geschenke auch ohne Bravsein?

„Ratschläge sind auch Schläge.“

Viele von Euch haben diesen Spruch bestimmt schon einmal gehört und können leicht zustimmen. Wenn ich nun aber mit Eltern spreche, die das Auferlegen von Strafen in der Erziehung ihrer Kinder ablehnen, oder wenn ich Führungskräfte frage, was sie dafür tun, die Motivation ihrer Angestellten günstig zu beeinflussen, dann höre ich oft die allseits überaus beliebte magische Formel „GANZ – VIEL – LOBEN!“.

„Gut gemacht!“ (Etwas, das du getan hast,

erfüllt ein Bedürfnis von mir.)
„Du warst richtig lieb heute!“ (Du hast heute nichts gemacht, was ich doof fand.)
„Braves Mädchen!“ (Dein Verhalten entspricht meiner Vorstellung von richtigem Verhalten, was auch immer das ist.)
„Das war eine sehr gute Präsentation, Frau Müller!“ (Ich kann das jetzt nicht genauer definieren, aber irgendetwas an ihrer Präsentation hat ein ebenso von mir nicht benanntes Bedürfnis erfüllt, oder vielleicht sogar mehrere, kann ich jetzt aber auch nicht so genau sagen.)
„Sie sind Angestellter des Monats!“ (Zwar wieder ohne konkreten Informationsgehalt, dafür gibt es aber einen Goldrahmen um ihr Foto an der Wand und eine kleine Flasche Sekt)
„Das war richtig von Ihnen.“ (Tja, also, das erlaub’ ich mir jetzt an dieser Stelle halt mal. Ich bin die Führungskraft und muss führen. Die Leute brauchen ja schließlich eine Rückmeldung und man soll ja auch ganz viel loben.)

Hm. Ist das jetzt wirklich so grandios mit dem ganzen Loben? Uns müsste doch, wenn wir da so bei adventlichem Kerzenlicht auf dem Sofa sitzen mit unserer Tasse Tee und es uns genauer überlegen, schnell auffallen, dass nach den Prinzipien der Gewaltfreien Kommunikation auch positive Urteile immer noch Urteile sind! Da müsste man eigentlich auch dem Weihnachtsmann Bescheid sagen, dass das mit dem „Bravsein“ so eine Sache ist.

Denn über andere zu urteilen ist in der Hinsicht nicht gewaltfrei, als dass es voraussetzt, dass ich mich selbst in eine (angeblich neutrale) Position über den Anderen erhebe, von welcher aus ich über diesen Anderen dann (angeblich legitim) richten kann – und zwar meist auch noch ohne dessen Einverständnis! Man spricht hier von der sogenannten „Weihnachtsmann-Position“. Ich messe quasi genau wie beim Verurteilen und Kritisieren die Auswirkungen von Handlungen anderer an meinen eigenen gut/schlecht- und richtig/falsch-Vorstellungen und tue dabei noch so, als wäre das die einzig mögliche Sichtweise. Lob/Belohnung und Kritik/Bestrafung funktionieren also genau gleich! Auch wenn meine Bewertung im Fall des Lobens dann „gut“ und „richtig“ ausfällt und es Geschenke gibt.

Was können wir nun aber sagen, wenn die Handlungen unserer Kinder oder unseres Personals in uns positive Gefühle auslösen und wir eine Rückmeldung geben oder einfach eine Verbindung herstellen möchten?

Mir fallen folgende drei Möglichkeiten ein:

1) Eine empathische Reflexion oder eine empathische Frage
„Da hast Du sicher gaaanz lange dran gesessen, an Deinem Weihnachtsmann-Bild! Freust Du Dich darüber, dass Du es jetzt fertig hast?“
„Was gefällt Dir an deinem selbstgebastelten Adventskranz am besten? Du scheinst große Freude daran zu haben!“
„Sind Sie zufrieden mit Ihrem Ergebnis? Ich habe heute früh schon gedacht, wie stressig das wohl am Ende für Sie noch gewesen sein muss, das Projekt fristgerecht einzureichen, wo Sie doch auch noch für die Organisation der Weihnachtsfeier verantwortlich sind. Da können Sie die Erholung der Feiertage bestimmt gut gebrauchen, oder?“

2) Selbstausdruck bzw. Feedback mit Gefühl und Bedürfnis (und ggf. mit Beobachtung)
„Das freut mich riesig, weil Dein Bild hier an der Wand richtig Farbe reinbringt in die Bude!“ „Bei Ihrer Präsentation habe ich mich besonders über Punkt X gefreut, weil dadurch die Weihnachtsstimmung gewährleistet wird, die mir persönlich doch so sehr am Herzen liegt!“ (Weihnachtsstimmung wird hier ausnahmsweise mal als Bedürfnis verwendet.)
„Wunderbar, dass Sie das schon fertig haben. Jetzt kann ich die Woche ganz entspannt angehen, weil das Wichtigste schon vom Tisch ist. Vielen Dank!“ (Das hat übrigens einen ganz anderen Geschmack, als wenn wir „wunderbar“ als Urteil verwenden würden. Denn natürlich geht es nicht nur um die Wortwahl, sondern vor allem um die Einstellung, mit der wir sprechen: Habe ich Urteillaune oder Selbstausdruckslaune?).

3) Feiern! Das kann natürlich ganz unterschiedlich aussehen. Vielleicht kann man „juhu“ rufen, wild lachen, sich stürmisch umarmen oder Plätzchen in die Luft werfen und sie mit dem Mund fangen. Es geht hier um ein „Zum-Ausdruck-bringen“ unserer emotionalen Reaktion ohne es direkt mit Worten zu benennen. Und wenn ich auch nicht mit meinen Angestellten auf dem Schreibtisch tanzen will, kann ich das mit meinen Kindern durchaus tun, wenn nun endlich (Gott sei dank!) die Hausaufgaben fertig sind.

Das Tolle daran ist, dass wir, wenn wir so sprechen, nicht nur mehr Verbindung und sinnvollen Informationsaustausch erreichen, sondern auch die Welt verbessern, indem wir intrinsiche Motivation fördern. Intrinsische Motivation kommt aus unserem Innern; wir tun etwas zum Spaß an der Freude, weil etwas unsere eigenen Bedürfnisse und Werte erfüllt, und nicht, weil wir – wie im Fall der extrinsischen Motivation – auf ein Lob oder eine Belohnung von außen hoffen. Wenn wir anderen von unseren Bedürfnissen erzählen, laden wir sie dazu ein, die Freude zu erleben, die sie selbst daran empfinden, wenn sie uns etwas Gutes tun können und sie sich so ihr eigenes Bedürfnis etwas beizutragen erfüllen. Das bedeutet Integrität anstelle von Dressur. So erhalten wir selbstbewusste Kinder, die sich auch ohne das ständige Verteilen von Bonbons gut benehmen, und Angestellte, die nicht sofort aufhören zu arbeiten, wenn keiner guckt.

Möchten wir nicht in einer Welt leben, in der Menschen aus freier Wahl achtsam sind, weil sie sich der Wirkung ihrer Handlungen auf andere bewusst sind und sie sich gerne um andere sorgen? Die Geschenke gibt es dann in jedem Fall, ob brav oder eben nicht.

Hier findet Ihr den Text als Audiofile, 
eingesprochen von Stephan Müller

http://www.caecilie-boehmig.de/


Sadhi Sonja Vornberger

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