Marshall B. Rosenberg

Marshall B. Rosenberg ist der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) und gilt als solcher als wegweisender Experte in den Bereichen Kommunikation, Konfliktbewältigung und Mediation. Seine Bücher sind Bestseller, die von vielen Fachleuten und Laien gleichermaßen zurate gezogen werden.

In seiner Jugend selbst ein Raufbold stellte Rosenberg sich als junger Mann die Frage, welche Ursachen Gewalt hat und wie man ihr entgegenwirken könnte. Dabei kam er zu dem Schluss, dass die Psychologie in weiten Teilen den Fehler macht(e), sich nur auf den einzelnen Patienten zu konzentrieren und das Umfeld außer acht zu lassen. Er erarbeitete die GFK und verfeinerte seine Methoden mithilfe seiner Mitstreiter*innen.

Marshall B. Rosenberg wurde am 6. Oktober 1934 in Ohio, USA als Sohn eines Fabrikarbeiters und einer Profi-Sportlerin geboren. Die Familie zog 1943 nach Detroit, wo der junge Marshall, weil er Jude war, von Mitschülern regelmäßig verprügelt wurde. Auch in dem Viertel, in dem die verarmte Familie untergekommen war, regierte die Gewalt. Rassenunruhen führten etwa zum gewaltsamen Tod von 30 Menschen in nur zwei Wochen. Marshall B. Rosenberg konnte das Haus oft wochenlang nicht verlassen.

Abgesehen von seinem Onkel Julius, einem Apotheker, brachte niemand in der Familie dem jungen Marshall Aufmerksamkeit entgegen. Zu sehr war man mit der Pflege kranker Familienmitglieder und dem Kampf ums nackte Überleben beschäftigt. Durch seine Mutter, die die Ansicht vertrat, man solle in Konfliktsituationen knallhart zurückschlagen, geprägt, entwickelte sich Marshall B. Rosenberg selbst zu einem gewaltbereiten Schläger. Dennoch begannen in ihm Zweifel und Fragen zu rumoren: Wieso wollen Menschen einander wehtun? Warum werden manche Menschen gewalttätig, während andere sogar in Ausnahmesituationen empathisch und friedlich bleiben? Wie kann man darauf Einfluss ausüben? Welche Alternativen zu Gewalt und Verleugnung ureigenster Instinkte gibt es?

Obgleich Marshall wegen Schlägereien mehrmals im Krankenhaus landete und dreimal der Schule verwiesen wurde, machte der hochbegabte Schüler nach einem Umzug im Jahre 1950 seinen Abschluss und studierte ab 1953 in Michigan und Wisconsin Psychologie - er war auf der Suche nach Antworten auf seine Fragen und hoffte, die Psychologie hielte diese für ihn bereit. Dennoch hielt er seinen Ruf als Rebell zunächst aufrecht, bis er mit dem Soziologie-Professor Michael Hakeem zusammentraf. Hakeem machte Rosenberg klar, dass die Psychologie sich zu sehr nur auf den Patienten konzentriere und zu wenig dessen Umfeld mit in Betracht ziehe; eine Herangehensweise, die sich in Rosenbergs eigenen Erfahrungen widerspiegelte. Das idealistische (das Bewusstsein formt das Sein) Weltbild Rosenbergs wurde von diesem materialistischen (das Sein formt das Bewusstsein) Ansatz über den Haufen geworfen.

Zu dieser Zeit lernte Rosenberg auch Carl Rogers kennen, der Rosenberg 1960 in ein Forschungsprogramm aufnahm, das die Bedeutung von Empathie, Authentizität, Aufrichtigkeit und einer Begegnung auf Augenhöhe im Verhältnis von Arzt bzw. Therapeut und Patient bestätigte. Auch fokussierte sich Rosenberg nun mehr auf die Frage, wie man die "Patienten" darin schulen könne, ihre Ziele zu erreichen, statt sie bloß zu therapieren.

1961 schloss Marshall B. Rosenberg sein Studium als Doctor of Philosophy (Ph. D.) ab. In seiner Arbeit als Psychologe setzte Rosenberg auf eine ganzheitliche Therapiemethode, die neben dem Patienten auch sein familiäres Umfeld in die Therapie einschloss, und bemühte sich den - wie er es nannte - "doctor shit" durch aufrichtige Empathie und Mitmenschlichkeit zu ersetzen. Dies brachte ihm zunächst großen Erfolg. Er wurde Teilhaber einer Praxis, heiratete und ermöglichte seinen drei Kindern den Besuch einer Privatschule. Doch als immer öfter finanzschwache und sozial orientierte Gruppierungen und Verbände sich hilfesuchend an Rosenberg wandten und er deren Ersuchen nachkam, folgte der Bruch mit den Anteilseignern der Praxis und in Folge dessen der finanzielle Abstieg und die Scheidung von seiner Frau.

Nachdem Marshall B. Rosenberg einige Jahre durch die USA getrampt war, von der Hand in den Mund gelebt, unter Brücken geschlafen und da, wo er es konnte, Hilfe angeboten hatte, erarbeitete er inspiriert von Paulo Freire die Urform der Gewaltfreien Kommunikation (GFK). Anfang der 70er-Jahre geriet Marshall B. Rosenberg bei einer Stadtteilkonferenz mit dem schwarzen Ganganführer Al Chapelle aneinander, was sich zu einem fruchtbaren Boden für eine Zusammenarbeit der beiden Männer wandeln sollte: Rosenberg brachte Chapelle die Gewaltfreie Kommunikation bei, während Chapelle Marshall B. Rosenberg bei Konfliktvermittlungen in den Gettos der Großstädte begleiten sollte.

1983 publizierte Marshall B. Rosenberg die erste und noch recht dünne Fassung von "A Model for Nonviolent Communication". Das Buch beschreibt die vier Schritte der GFK. Im Folgejahr gründete Rosenberg das Center for Nonviolent Communication (CNVC) und führte Handpuppen als Hilfsmittel in seine Arbeit ein: Schakal und Ente, später ergänzt durch Giraffe und Wolf. 1985 wurde Rosenberg vom Arbeitskreis Friedenserziehung in München nach Deutschland eingeladen - den "warmherzigen Empfang" beschrieb er als etwas aufgrund seiner eigenen Wurzeln ganz Besonderes. Einen wirklichen Durchbruch für die GFK in Deutschland brachte Marshall Rosenbergs Auftritt beim Evangelischen Kirchentag 1992. 2001 erschien das Buch "Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens" in Deutschland und wurde mit knapp 300.000 verkauften Exemplaren zu einem Bestseller. Von 2002 bis 2007 und dann wieder ab 2012 wurden Trainer nach Rosenbergs Lehren ausgebildet und zertifiziert.

Aber nicht nur Deutschland stattete Marshall B. Rosenberg nach der Gründung des CNVC einen Besuch ab. Bis er sich 2011 aus gesundheitlichen Gründen aus der Öffentlichkeit zurückzog, leitete er überall auf der Welt Workshops und bildete Trainer*innen aus.

Am 7. Februar 2015 starb Marshall B. Rosenberg in Albuquerque, New Mexico.