Viele Menschen möchten ihre Kommunikationsfähigkeit verbessern, um in vielen Situationen besser klar zu kommen. Dabei gibt es allerdings Fallstricke zu beachten. Bücher, Kurse oder Seminare, die Kommunikationsfähigkeit trainieren, beziehen sich oft nur darauf, sich ein anderes Verhalten anzutrainieren, Schlagfertiger zu sein, besser zu kontern etc. und für viele Menschen führt dieser Weg nicht weit.
Worum geht es bei guter Kommunikation? Nur darum, die eigenen Interessen durchzusetzen mit guter Rhetorik, gutem Schlagabtausch? Gerade in nahen Beziehungen möchten wir ja den anderen nicht „überfahren“, sondern wir möchten, dass es ihm auch gut geht. Und eine effektive Kommunikation haben, die beide einbezieht. Wie das gehen kann, beleuchtet dieser Blogartikel:
Konfliktgespräche und Schlagfertigkeit
Ein Beitrag von Andrea Kind
Konfliktgespräche mit Mitarbeitern bereiteten mir vor zehn Jahren noch größtes Unbehagen. Wie sollte ich reagieren, wenn mein Gegenüber im Gespräch provozierte, mauerte oder anfing, endlos zu diskutieren? Mir verschlug es in solchen Disputen oft die Sprache und ich konnte meinen unterschwelligen Ärger nur mühsam unterdrücken. Ich wusste allerdings auch nicht, wie ich meine Emotionen angemessen rüberbringen sollte. Viele tolle Argumente fielen mir zudem erst nach dem Disput ein.
Um mich aus diesem Dilemma zu befreien, las Bücher, die mir mehr Schlagfertigkeit in jeder Situation versprachen. Allerdings hätte ich mir dazu unzählige passenden Redewendungen zur jeweiligen Situation einpauken oder auf Provokationen mit Gegenprovokationen kontern sollen – und dazu natürlich total relaxt bleiben müssen, um spontan auf das Gelernte zurückgreifen zu können. Eine Sackgasse.
„It’s simple, but not easy“
Ich weiß heute gar nicht mehr, wie ich auf Marshall B. Rosenberg und seine Gewaltfreie Kommunikation gestoßen bin. Ich war jedenfalls sofort begeistert. Von Marschalls tiefer Menschlichkeit. Von seinen Werten. Von seinem einfachen System, in dem sogar meine unterdrückten Emotionen Ausdruck finden sollten. Nur vier einfache Schritte, die in jedem Gespräch zur Anwendung kamen:
- Was ist genau passiert (reine Beobachtung)
- Wie fühle ich mich damit?
- Mein Bedürfniss im Bezug zu dem Gefühl zum Ausdruck bringen
- Welche Bitte habe ich daraus resultierend an meinen Gegenüber?
Der Härtestest im Job
Marshall Rosenberg soll gesagt haben: „It’s simple, but not easy“. Genauso war es. Ich werde mein erstes „gewaltfeises“ Konfliktgespräch nie vergessen. Ich kam mir ziemlich blöd vor, weil ich wusste, dass sich alles ziemlich schräg anhören musste, was ich dem Mitarbeiter sagen wollte. Doch ich hatte mir an ihm bereits in zwei vorigen Gesprächen die Zähne ausgebissen. Er hatte gemauert und abgewiegelt. Da ich unsicher war, hielt ich mich also genau an die „Abläufe“ und die Wortwahl, wie ich sie in den Büchern der Gewaltfreien Kommunikation gelesen hatte. Während ich also zum Sprechen ansetzte, dachte ich noch: Der hält dich bestimmt für verrückt“.
Ich begann: „Herr XXX, wir hatten bei unserem letzten Gespräch abgemacht, dass Sie…. Daran haben Sie sich nicht gehalten. Das ärgert mich, weil mir Respekt wichtig ist. Bitte sagen Sie mir, wie Ihnen damit geht, wenn ich das jetzt sage.“
Der Mitarbeiter starrte mich entsetzt an. Mir schoss durch den Kopf: „Gleich lacht der los.“ Eine unangenehme Pause entstand. Dann antwortete der Mitarbeiter: „Um Gottes Willen, ich wollte doch nie resprektlos sein.“ Darauf entwickelte sich ein sehr offenes, konstruktives Gespräch.
Austausch statt Anklage
Ich bin glücklich, die Gewaltfreie Kommunikation als in jeder Situation anwendbare Methode für mich entdeckt zu haben. Ich kann kein einziges Gespräch erinnern, in dem es nicht zu einem Austausch geführt hätte, auch wenn ich anfangs noch sehr gestelzt geklungen oder sogar einzelne Schritte vergessen habe. Endlich konnte ich auch meine Emotionen offen artikulieren. Und es brachte mich selbst weiter, darüber nachzudenken, welches Bedürfnis mir in dem jeweiligen Fall wichtig waren. Konstruktiv und befreiend ist es für mich, eine Bitte an den Angesprochenen zu formulieren. Sei es im ersten Schritt die Bitte um Rückmeldung, wie es demjenigen mit dem Gesagten geht.
Ja, es kommt oft zu einer kleinen Pausen, nachdem ich die Bitte gestellt habe. Die Gesprächspartner werden aus Ihrer gewohnten Denkspirale der „Verteidigung“ gerissen und müssen erst einmal nachdenken. Und wenn ich über meine Emotionen und Bedürfnisse spreche, haben sie ebenfalls den Mut, über ihre Emotionen und Bedürfnisse zu reden. Beide Seiten fühlen sich dadurch gehört, auch wenn vielleicht nicht sofort eine Lösung erarbeitet werden kann.
Gewaltfreie Kommunikation bietet noch viel mehr tolle Möglichkeiten für die Anwendung im Job: Richtig danken und Wertschätzung zeigen, Empathie für mich selbst und andere zum Ausdruck bringen.
Jetzt muss es nur noch mit dem Ehemann klappen
Ich praktiziere die Methode nun schon fast zehn Jahre und bin immer noch ganz begeistert davon. Mein Mann sagt mir gerade: „In Gesprächen daheim mit mir bekommst du die Gewaltfreie Kommunikation auch fast hin.“ Gut, daran werde ich die nächsten zehn Jahre arbeiten 🙂
Was denkst Du jetzt über gute Kommunikationsfähigkeiten? Sind Dir auch Deine eigenen Bedürfnisse und die des anderen wichtig? Wir freuen uns über Deine Meinung!